Unsere Gene beeinflussen die Darmflora
12.10.2016
Ein internationales Konsortium unter Federführung von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat herausgefunden, dass
das menschliche Genom einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung der
Bakterien im Darm hat. Die Ergebnisse dieser Studie erscheinen heute
(Montag, 10. Oktober) in der renommierten Fachzeitschrift "Nature
Genetics".
Im menschlichen Darm lebt eine Vielzahl von
unterschiedlichen Bakterien, die einen wichtigen Einfluss auf unsere
Gesundheit haben. Unter anderem spalten sie Nährstoffe, beeinflussen
unser Immunsystem und sorgen für ein ausgeglichenes Hormonsystem.
Verändert sich die Zusammensetzung der Darmflora, zum Beispiel durch die
Gabe von Antibiotika, können verschiedene Krankheiten wie entzündliche
Darmerkrankungen, Diabetes oder Autismus entstehen.
Um das
komplexe Zusammenspiel und den Einfluss der menschlichen Darmflora auf
die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen, haben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Kiel zusammen mit
weiteren Arbeitsgruppen aus dem Max-Planck-Institut für
Evolutionsbiologie in Plön und Oslo in der bislang größten Studie dieser
Art die Zusammensetzung der Darmbakterien von über 1.800 Norddeutschen
untersucht. Sie identifizierten eine Reihe von Faktoren wie Ernährung,
Lebensgewohnheiten und genetische Variationen, die die Zusammensetzung
des Darm-Mikrobioms beeinflussen. Mit dem Einfluss von genetischen
Unterschieden hat sich das Kieler Forschungsteam dann näher beschäftigt.
Insgesamt
konnten die Forscherinnen und Forscher 42 Bereiche im menschlichen
Genom finden, die die Vielfalt der Darmflora beeinflussen. Für weitere
42 Genbereiche konnten sie nachweisen, dass sie über das Vorkommen und
die Häufigkeit bestimmter Bakterienarten im Verdauungstrakt
mitbestimmen. Insgesamt sind diese genetischen Faktoren für rund 10
Prozent der Bakterienvielfalt im Darm verantwortlich. „Dass unser Genom
einen solch großen Einfluss auf die Darmbakterien hat, war eine große
Überraschung für uns“, sagt Professor Andre Franke, Studienleiter und
Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB),
Medizinische Fakultät der CAU. „Eine ähnliche Größenordnung ist aus
Mausstudien bekannt und lässt darauf schließen, dass wir es hier mit
evolutionär konservierten Prozessen zu tun haben.“
Ein
spezielles Gen, das die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in
dieser Studie identifiziert haben, war für sie besonders interessant: Es
kodiert für den Vitamin D Rezeptor, der Gallensäuren bindet, die
wiederum für die Fettverdauung wichtig sind. „Den Einfluss jedes
einzelnen Faktors, den wir identifizieren konnten, wollen wir nun in
weiterführenden Studien genauer untersuchen“, sagt Louise Thingholm,
Erstautorin der Studie vom IKMB. Dieses Vorhaben ist Teil des neuen
Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von
Metaorganismen“ an der CAU, der seit Anfang dieses Jahres von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 10 Millionen Euro
finanziert wird.
Originalpublikation:
Genome-wide
association analysis identifies variation in vitamin D receptor and
other host factors influencing the gut microbiota (2016). Jun Wang,
Louise B Thingholm, Jurgita Skiecevicienė, Philipp Rausch et al. Nature
Genetics. DOI: 10.1038/ng.3695
Abbildungen zum Thema stehen zum Download bereit:
www.uni-kiel.de/download/pm/2016/2016-322-1.jpg
Bildunterschrift:
Die Abbildung zeigt, dass viele bekannte Gene, die das Darmmikrobiom in
der Maus beeinflussen, mit den menschlichen Genen identisch sind, die
von der Kieler Studie identifiziert wurden (Verbindungslinien innerhalb
des Kreises). Die linke Seite zeigt dabei die Positionen auf der
Maus-DNA, die rechte Seite die menschlichen Chromosomenabschnitte.
Copyright: Institut für Klinische Molekularbiologie/CAU
www.uni-kiel.de/download/pm/2016/2016-322-2.jpg
Bildunterschrift: Für die Analyse der Zusammensetzung der Darmflora werden die Stuhlproben im Labor vorbereitet.
Copyright: Institut für Klinische Molekularbiologie/CAU
www.uni-kiel.de/download/pm/2016/2016-322-3.jpg
Bildunterschrift: Eine Technische Angestellte bearbeitet die Stuhlproben unter der Laborbank.
Copyright: Institut für Klinische Molekularbiologie/CAU
Weitere Informationen:
www.ikmb.uni-kiel.de/research/genetics-bioinformatics/microbiome-studies-0
Kontakt:
Prof. Dr. Andre Franke
Institut für Klinische Molekularbiologie, CAU
Telefon: 0431/500-15110; 0179-4851891
E-Mail: a.franke@mucosa.de
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing, Dr. Boris Pawlowski, Redaktion: Dr. Ann-Kathrin Wenke
Postanschrift: D-24098 Kiel, Telefon: (0431) 880-2104, Telefax: (0431) 880-1355
E-Mail: presse@uv.uni-kiel.de, Internet: www.uni-kiel.de